Grünes Abitur!
Seit jeher wird die Jägerprüfung von vielen als grünes Abitur bezeichnet. Wir Jäger nutzen diesen Begriff gern und auch ein wenig mit Stolz vor allem dann, wenn wir nach den Anforderungen zum Erlangen des Jagdscheins gefragt werden. Auch wenn der Begriff schön klingt, sollten wir die Umschreibung einmal selbstkritisch hinterfragen.
Wird die Jägerprüfung dem Begriff überhaupt gerecht? Um das schulische Abitur zu erlangen, sind in der Regel drei Jahre Schulzeit abzuleisten und zum Bestehen sowohl eine mündliche als auch eine schriftliche Prüfung zu bestehen. Das sieht bei der Jägerprüfung völlig anders aus! Vorbereitungskurse durch Kreisjägerschaften und Jagdschulen bereiten in Abend- oder Wochenendkursen den angehenden Jungjäger durch mündliche und praktische Ausbildung auf die Prüfung vor. In der darauffolgenden Prüfung werden neben theoretischem Wissen die Schießfertigkeit und andere praktische Tätigkeiten wie zum Beispiel das Ansprechen von Präparaten oder die sichere Handhabung von Waffen durch einen mündlichen, praktischen Teil geprüft. Werden diese Prüfungen bestanden, steht einem Jagschein nichts mehr im Wege, vorausgesetzt, alle weiteren Bedingungen wie zum Beispiel das polizeiliche Führungszeugnis, sind erfüllt. Verdient dieser Ablauf den Begriff „Grünes Abitur“? Mit Sicherheit nicht! Vor allem dann nicht, wenn im Schnellverfahren ausschließlich auf die Prüfung vorbereitet wurde. Schnellkurse, in welchen es nur darum geht, das Mindestmaß zum Bestehen der Prüfung zu vermitteln, können nicht im Sinne einer soliden Ausbildung sein. Durch Apps und Videos auswendig gelernte Antworten auf Prüfungsfragen bringen keine verantwortungsvollen Jäger. Praktische Fähigkeiten erlernt man vor allem durch Handhabung und sich wiederholende Tätigkeiten. Man kann es nicht oft genug sagen: Jagd ist Handwerk und das sollten wir bewahren. Sollten wir den Begriff „Grünes Abitur“ deshalb streichen? Ich denke nein, aber wir sollten darauf achten, wer in Zukunft wie unsere Jungjäger ausbildet. Es darf nicht darum gehen, möglichst schnell viele Jäger auszubilden, sondern die Ausbildung muss dem Anspruch der Jagd gerecht werden. Noch wichtiger jedoch erscheint mir die auf die Prüfung folgende dreijährige „Lehrzeit“ als Jungjäger. Wer hier bereit ist, weiter zu lernen und vor allem den richtigen Lehrer trifft, kann im Anschluss voller Stolz behaupten, das „Grüne Abitur“ bestanden zu haben.
Waidmannsheil aus der Redaktion